„Sie sind über den Termin“

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„Wann ist es denn so weit?“, wie oft müssen sich Schwangere dieser Frage stellen! Dabei weiß das vorher keiner so genau – und das ist auch nicht schlimm. Das Baby soll dann kommen, wenn es bereit ist für die Welt und sich nicht schon im Mutterleib an einen errechneten Termin halten müssen…

Symbolbild Sie sind über den Termin © Bildagentur PantherMedia brebca

Symbolbild Sie sind über den Termin © Bildagentur PantherMedia brebca

Schon während der Frühschwangerschaft errechnet der Gynäkologe, in welcher Schwangerschaftswoche sich die Patientin befindet. Für Anfängerinnen ist das meist etwas verwirrend. „Ich bin schon in der siebten Woche? Wie kann das denn sein?“

Weil wir nicht genau wissen, wann sich die befruchtete Eizelle tatsächlich in die Gebärmutter eingenistet hat, beginnt die erste Schwangerschaftswoche bereits mit dem ersten Tag der letzten Periodenblutung. So befinden sich Schwangere schon zwischen der vierten und der sechsten Schwangerschaftswoche (je nach Zykluslänge), wenn der Schwangerschaftstest „positiv“ anzeigt.

Durchschnittlich dauert eine Schwangerschaft 40 Wochen – also 280 Tage. Im Mutterpass findet die Schwangere ihren ganz persönlichen „ET“, den errechneten Termin. Um diesen Tag herum soll es so weit sein. Laut Rechnung – doch die Natur hält nichts von Mathematik und so kommen nur etwa fünf Prozent aller Babys tatsächlich an diesem errechneten Tag zur Welt. Die meisten Babys machen sich drei Wochen um diesen Termin herum auf den Weg.

Schon Wochen vor dem errechneten Termin stehen werdende Eltern auf Alarmbereitschaft. Die Kliniktasche steht gepackt im Flur, die Telefonnummer vom Kreißsaal haftet am Kühlschrank und die werdende Großmutter schläft keine Nacht mehr ohne Telefon auf dem Nachttisch, damit sie sofort informiert werden kann, wenn es los geht. Jede Übungswehe versetzt die Schwangere nun in Panik, denn im Hinterkopf hat sie den immer näher rückenden Termin. Ist er dann endlich erreicht, wächst der Druck ungemein.

Nun muss es doch endlich so weit sein! So steht es doch im Mutterpass. So haben wir es doch geplant. Auf der Arbeit wird der werdende Vater, der seinen Urlaub spontan einreichen will, den errechneten Termin aber bereits angekündigt hat, täglich gefragt, wann es denn so weit ist. Die werdende Mutter wird bald stündlich von Freunden und Verwandten angerufen: „Na, dürfen wir denn schon gratulieren?“

Nein – das dürft ihr nicht, denn das Baby braucht noch ein paar Tage. Auch wenn das Kleine inzwischen schon überlebensfähig ist, finden auch jetzt, in den letzten Tagen, noch wichtige Reife-Prozesse statt.

Die Lungen bereiten sich auf das Atmen vor, die sogenannte „Käseschmiere“, die das Ungeborene während der Schwangerschaft überzogen und die Haut beschützt hat, wird nun weniger und der immer wieder auftretende Schluckauf zeigt, dass das Kleine bereits erste Trinkübungen macht.

Ab dem Termin muss die Schwangere jeden zweiten bis jeden Tag zum Arzt. Für viele eine große Belastung. Die ständige Fragerei, die häufigen Untersuchungen und die durcheinander geworfene „Planung“ setzen werdende Mütter, die bereits „über den Termin“ hinaus liegen, nicht selten unter Druck.

Hinzu kommen die Wehwehchen, Rückenschmerzen, Kurzatmigkeit, schmerzhafte Tritte in die Rippen und das ständige Wasserlassen. Viele Schwangere haben jetzt einfach keine Lust mehr, wollen endlich Mama sein. Da werden Treppen gelaufen, Trauben gegessen, ein heißes Bad genommen und Abführcocktails geschlürft. Alle Tipps von gutmeinenden Menschen aus dem Umfeld, die angeblich wissen, wie man die Geburt herbeirufen kann, werden jetzt angenommen und ausprobiert. Damit setzen sich werdende Mütter aber nur noch mehr unter Druck.

Die letzten Tage sollten sie lieber ganz ruhig angehen lassen. Auf dem Sofa lümmeln, ein Buch lesen, fernsehen oder in der Badewanne (nicht zu heiß!) entspannen. Ganz viel Schlaf hilft nun, Kräfte zu tanken, die für die Geburt benötigt werden – und diese geht dann los, wenn das Baby bereit ist.

„So, nun sind Sie sieben Tage über den Termin. Wir sollten uns einmal über das Thema Einleitung unterhalten!“, viele Gynäkologen sprechen noch heute so mit ihren Patientinnen. Für werdende Mütter im ersten Moment oft eine Erleichterung. Endlich wissen, wann es losgeht – ganz bewusst in die Klinik fahren und nicht mit geplatzter Fruchtblase und immer stärker werdenden Wehen auf dem Beifahrersitz hocken. Doch was in Gedanken nach einer guten Idee klingt, endet in der Realität sehr häufig in einem traumatisierenden Geburtserlebnis.

Auf Biegen und Brechen wird an der Schwangeren herumgedoktert, Wehen werden mit einem Tropf künstlich gepuscht und dadurch schmerzhafter, als natürliche Wehen – die Fruchtblase wird aufgestochen, für viele Frauen ein sehr unangenehmes Gefühl – Arzt und Hebamme sitzen auf Bereitschaft neben dem Bett, beobachten Herztöne und dosieren Schmerzmittel. „In die Wanne können Sie jetzt nicht, die Herztöne des Ungeborenen beunruhigen uns gerade, wir müssen das beobachten.

Bleiben Sie einfach liegen!“ In einer solchen Situation wächst die Angst, die Unsicherheit, die Unzufriedenheit und die Frage: War das die richtige Entscheidung? Wäre es heute Nacht oder morgen nicht vielleicht von alleine losgegangen und wäre die nasse Hose im Auto nicht das kleinere Übel gewesen?

Schwangere sollten von Beginn der Schwangerschaft an den errechneten Termin nur als ungefähren Anhaltspunkt nehmen und gut zwei Wochen draufschlagen. Freunden und Verwandten sollte dieser Termin nicht genannt werden. Es reicht völlig aus, zu sagen: „Im Februar soll es so weit sein!“ Wenn der Gynäkologe gegen Ende der Schwangerschaft zu einer Einleitung rät, kein schlechtes Gewissen haben, wenn nun eine zweite Meinung eingeholt wird.

Es gibt Fälle, in denen eine frühzeitige Einleitung der Geburt medizinisch notwendig ist. Doch an vielen Kliniken ist die Einleitung heute leider Alltag und wird jeder Frau angeboten, die nach dem errechneten Termin noch schwanger ist.

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