Syrisch-deutsche Bekanntschaft

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© spuno

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Vor einigen Monaten habe ich einen syrischen Flüchtling kennengelernt. Wir beide lagen drei Wochen lang im gleichen Krankenhaus und haben uns in dieser Zeit mehrmals täglich ausgetauscht. Seine Geschichte hat mich zutiefst erschüttert und einmal mehr daran erinnert, dass es an uns ist, Menschen zu helfen, die in Not sind. 

Hizam ist Anfang 30. In Syrien war er verheiratet, hatte ein eigenes Haus und einen gut laufenden Friseursalon. Er hatte ein Auto und ein Motorrad, viele Freunde und seine Familie in der Nähe. Mit seiner Frau hatte er eine kleine Tochter. Er war sehr glücklich in seinem Leben und in seinem Land. Doch dann kam der Krieg. Seine Schwester starb, weitere Familienangehörige wurden schwer verletzt und teilweise verstümmelt. Auch seine Frau starb im Krieg. Sie war gerade mit dem Bus auf dem Weg zur Uni. Sie hatte ihm am Morgen noch eine SMS geschrieben, ihm gesagt, dass sie ihn liebt. In der Uni kam sie an diesem Tag nicht an. Das war das Letzte, was Hizam von seiner Frau geblieben ist. Eine SMS … und die kleine Tochter. Um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen, sie zu beschützen, brachte er sie zu den Großeltern und machte sich auf den Weg nach Europa. 10.000 Euro kostete ihn seine Flucht.

Die Menschen, die es schaffen, bis nach Europa zu kommen, haben meist ähnliche Summen bezahlen müssen. Es sind nicht die finanziell schwachen Menschen, die aus Kriegsgebieten zu uns kommen und sich hier ein Leben in Wohlstand erträumen (wie es manche Stammtisch-Prediger gerne behaupten). Es sind überwiegend gebildete Menschen aus der Mittel- und Oberschicht. Menschen die in Europa arbeiten und studieren wollen, die dem Krieg und Elend entkommen und später einmal zurückkehren möchten.

BloggerFuerFluechtlingeMenschen, wie Hizam. Mit einem Paddelboot – in dem an die 200 Menschen saßen – kam er bis vor die Küste Italiens. Einige hundert Meter schwamm er, bis ans Ufer. In Italien wurde er aufgegriffen und in die Türkei geschickt. Dort wollte man ihn nicht aufnehmen. Also ging seine Flucht weiter nach Dänemark. Dort lebt sein Bruder mit seiner Familie. Doch auch in Dänemark durfte Hizam nicht bleiben. Er ging nach Deutschland und dort wurde ihm gesagt, er solle nach Italien, wo er ursprünglich angekommen war. Aus lauter Verzweiflung schnitt er sich mit einem Teppichmesser die Arme auf, kam so in ein deutsches Krankenhaus und bekam von einem Arzt bescheinigt, dass er psychisch am Ende sei. Eine Ausreise unter diesen Bedingungen sei nicht zumutbar. Nun darf Hizam vorerst bleiben. Vorerst. Er lebt in einem kleinen Zimmer, das er sich mit einem weiteren Flüchtling teilt. Die Kleidung die er trägt, hat er geschenkt bekommen. Wohl fühlt sich der modebewusste junge Mann darin nicht. Aber er ist dankbar. Er hat ein kleines Taschengeld, das er seiner Familie in Syrien schickt. Ihm selbst bleibt nichts. Seine kleine Tochter lebt noch immer in Syrien. Auch wenn es in dem Stadtteil aktuell keine Gewalt gibt, fehlt es hier an Nahrung und an sauberem Trinkwasser. Während unserer gemeinsamen Zeit im Krankenhaus, hat Hizam mehrfach mit seiner Tochter telefoniert und sie hat ihn jedes Mal gefragt, wann sie endlich zu ihm darf. Zu ihrem Papa. Seit neun Monaten haben sich die beiden nicht mehr gesehen. Ihre Zukunft ist ungewiss.

Hizam hat seit seiner Ankunft jeden Tag Deutsch gelernt, hat sich von mir alles Mögliche erklären lassen. Die deutsche Kultur ist eine völlig andere, als die syrische. Das haben wir festgestellt, als wir über Familie und Beziehung gesprochen haben. Über die Vorstellung von Ehe und über Religion. Dennoch haben wir beide bemerkt, dass uns etwas Grundsätzliches verbindet: Wir sind Menschen. Keiner ist besser als der Andere. Wir wollen ohne Krieg und Angst mit unseren Familien und Freunden leben…

 

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